«Wir müssen miteinander im Gespräch bleiben, um den Ball in das richtige Tor zu schieben»

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Die Covid-19-Pandemie hat einen digitalen Entwicklungsschub ausgelöst. Im Interview berichtet Dr. med. Cornelia Meier von ihren Erfahrungen. Sie ist Fachärztin für Allgemeine Innere Medizin FMH und Co-Präsidentin der Gesellschaft der Ärztinnen und Ärzte des Kantons Solothurn GAeSO. In ihrer Praxis nutzt sie seit Januar 2021 den Service «AD Swiss Covid-Impfen» und hat als Pilot-Nutzerin dessen Entwicklung begleitet.

 

Frau Dr. Meier, wie kam es zu Ihrer Zusammenarbeit mit der AD Swiss?

Aufgrund der schwierigen Entwicklungen in Bezug auf den nationalen Datenaustausch auf Ebene des elektronischen Patientendossiers, machten wir als kantonale Ärztegesellschaft unsere Mitglieder bereits vor längerer Zeit auf die Dienste von AD Swiss aufmerksam. Insbesondere weil für die Nutzung der Dienste von AD Swiss nicht zusätzliche Programme installiert werden müssen, sondern die Leistungserbringer durch ihren HIN Anschluss bereits «ready» für die weiteren Zugänge sind.

Wir standen während dieser Pandemie früh und regelmässig im Austausch mit dem kantonalen Gesundheitsamt (GesA). So konnten wir auch die kantonalen Behörden überzeugen, dass die Akkreditierung von AD Swiss als Reporting Unit gegenüber Bund und Kanton für uns alle eine Win-win-Situation darstellt.

 

Sie waren bereits in der Pilotphase des Services «AD Swiss Covid-Impfen» mit dabei und haben Feedback eingebracht. Was war das für eine Erfahrung?

Wir konnten bereits ab Januar 2021 in fünf Pilotpraxen im Kanton Erfahrungen mit den Abläufen sammeln. Probleme konnten so 1:1 erfasst und zusammen mit AD Swiss analysiert werden, wo der Hebel für Verbesserungen angesetzt werden kann, bevor die Impfungen und die Prozesse dazu dann ab Mitte April in den Praxen eingeführt wurden. Es war eine rollende Entwicklung und im Rückblick auf das heute sehr gut funktionierende System eine gute Erfahrung. Es machte deutlich, wie wichtig das Zusammenspiel und die Kommunikation auf beiden Seiten sind.

 

Wie nutzen Sie selbst heute «AD Swiss Covid-Impfen» in Ihrer Praxis?

Bis heute haben wir in unserer Praxis rund 800 Impfungen durchgeführt. Wir hatten in den Anfängen Impfnachmittage durchgeführt, um die grosse Anzahl derjenigen Impfwilligen abzuarbeiten, welche aus verschiedenen Gründen nicht in ein Impfzentrum gehen wollten. Dazu stand der ganze Betrieb zu Gunsten der Impforganisation still. Mittlerweile, mit den eingeübten Abläufen und den geschulten Mitarbeiterinnen, können wir täglich 20 bis 24 Impfungen neben laufendem Betrieb anbieten. Dabei sind nun dank AD Swiss und der in der Praxissoftware integrierten Schnittstelle die Abläufe in administrativer Hinsicht deutlich einfacher, schlanker und praxistauglicher geworden.

 

Welche Rückmeldungen haben Sie von anderen Solothurner Ärztinnen und Ärzten erhalten?

Es war wichtig, dass die Solothurner Ärzte und Ärztinnen durch die grossen administrativen Hürden von der Impfbestellung, der Registrierung bis hin zum Ausstellen der Impfzertifikate taugliche Anleitungen hatten und verlässliche Ansprechpartner bei Problemen. In den Anfängen gab es einige Kinderkrankheiten, die einem im Moment des Stresses mit 50 bis 60 erwartungsfrohen Impfwilligen in der Praxis, die coronakonform mit Abständen und in althergebrachter Freundlichkeit bedient werden wollten, einiges an Nerven abverlangte. Aber durch die Bereitschaft des AD Swiss Teams, auch in Nacht- und Nebelaktionen immer wieder neue Releases zu testen und bereit zu stellen und Serverkapazitäten zu Gunsten einer Geschwindigkeitserhöhung des Systems frei zu schaufeln, konnten brachliegende Nerven beruhigt werden. Letztlich waren die Rückmeldungen in Bezug auf die Unterstützung der AD Swiss Systeme nur positiv.

 

Stichwort Covid-Zertifikat: Welche Erfahrungen haben Sie damit gemacht?

Auch in Bezug auf die Zertifikatsausstellung sind wir im Fachdialog mit dem Kanton eng eingebunden. Es ist sinnvoll, dass diejenige Stelle, welche die Personen geimpft und somit die Personendaten erfasst hat, auch das Zertifikat dazu ausstellt. So haben die meisten Praxen die Zertifikate von vor dem 30. Juni 2021 Geimpften auch nachträglich ausgestellt. Da war es eine grosse Hilfe, dass dies im System von AD Swiss schliesslich im vereinfachten Verfahren quasi «auf Knopfdruck» inkl. Versand über den Bund möglich war.

 

Der Kanton Solothurn hat bereits früh die AD Swiss als sogenannte «Reporting Unit» autorisiert, damit der Service «AD Swiss Covid-Impfen» von den Ärztinnen und Ärzten im Kanton genutzt werden konnte. Was raten Sie Kolleginnen und Kollegen in jenen Kantonen, die noch nicht autorisiert sind?

Wie gesagt, waren wir bereits ab Beginn der Pandemie sehr eng in den Fachdialogen mit dem Kanton eingebunden. So konnten wir den Wunsch anbringen, AD Swiss als Reporting Unit zu akkreditieren und konnten auch den Kontakt vermitteln. Ich denke, dass sich im Kanton Solothurn der etablierte, regelmässige Austausch mit den verschiedenen Stakeholdern bewährt hat. Klar sieht die politische Landschaft in jedem Kanton anders aus, aber wir kommen als Ärzteschaft nicht umhin, uns politisch besser zu vernetzen und im Gespräch zu bleiben.

 

Optimales Zusammenspiel der Systeme und Akteure für mehr Effizienz und Sicherheit im Praxisalltag

 

Sie haben die Integration von «AD Swiss Covid-Impfen» in die Praxissoftware angesprochen. Welche Erfahrungen haben Sie damit gemacht und wie wichtig sind für Sie solche Integrationen und der Dialog mit IT-Partnern?

Die Anbindung von «AD Swiss Covid-Impfen» an unsere Praxissoftware vitomed hat sich sehr bewährt. Solche Integrationen bedeuten mehr Effizienz, mehr Qualität und durch den damit verbundenen Zeitgewinn – z.B. durch das nicht zweimalige Erfassen gleicher Daten – auch mehr Zeit für die direkte Patientenarbeit.

Ich arbeite seit 2002 nur noch digital in der Praxis. Dabei habe ich schon zweimal die ganze Anlage auf ein neues System migriert und kenne so verschiedene Praxissoftwares. Die Pandemie hat klar einen digitalen Entwicklungsschub ausgelöst und auch Ärzten aufgezeigt, was digital alles möglich ist. Ich sehe da die Zukunft. Wir können uns dem nicht verschliessen. Für mich ist die digitale Praxis mit einem gut eingespielten und definierten Workflow auch eine Frage der Effizienz und Sicherheit im Praxisalltag. In unserer Praxis sind wir mit den Leuten von Vitodata zusammengesessen und haben am System gefeilt und verändert, bis es auf unsere Gemeinschaftspraxis mit drei Ärzten zugeschnitten war. Einiges ist dann bei Vitodata auch in die weitere Entwicklung getragen worden.

 

AD Swiss und HIN sind Unternehmen, die sich durch die Beteiligungen von FMH und Ärztekasse in ärztlicher Hand befinden. Wie beurteilen Sie das Engagement der Ärzteschaft, solche IT-Dienstleister selbst zu gründen und zu finanzieren?

Ich denke, gerade auch aus der Erfahrung der rollenden Entwicklung aus der Impfadministration und Zertifikatsausstellung heraus, dass es sehr wichtig ist, dass hinter solchen Diensten dringend auch diejenigen stehen sollten, die sie letztendlich auch anwenden müssen. Nur so finden die Ansprüche des Praxisalltags effizient Eingang in die Abläufe.

 

Mit der fortschreitenden Digitalisierung nehmen auch die Risiken zu, dass sensible Daten geleakt, gehackt oder auch versehentlich gelöscht werden. Wie stellen Sie sicher, dass Patientendaten bei Ihnen jederzeit geschützt sind?

Wir sind mit Firewall und Antivirenprogrammen ausgerüstet, wir legen Wert auf das Durchführen der regelmässigen Updates der Systeme, die Vitodata wartet den Server regelmässig mehrmals jährlich. Zweimal pro Tag erfolgt eine Sicherheitsspeicherung auf einem externen Server. Die Mitarbeiterinnen werden immer wieder Awarenessprozessen unterzogen.

Hinsichtlich der Revision des Datenschutzgesetzes machen wir uns bereits Gedanken und erwägen ab 2022 auf einen erweiterten Schutz zu wechseln mit der Möglichkeit der schriftlichen Einwilligung der Patienten für die elektronische Weiterverarbeitung von Daten mittels Eingabe am Unterschriften-PAD und anschliessender Direkt-Abspeicherung.

 

Als Ärztin wollen Sie sich auf medizinische Themen und Behandlung Ihrer Patientinnen und Patienten konzentrieren können. Wo könnten digitale Lösungen Sie und Ihre Mitarbeitenden noch mehr entlasten?

Meine Wunschthemen: automatisierte Ablage der Patientenberichte in den Primärsystemen, funktionierende digitale Formulare, Offenlegung der gesicherten Mailadressen von Vertrauensärztlichen Diensten (da schicken wir in Ermangelung der Mailadressen immer noch Papier in der Weltgegend rum), einfachere Einbindung von medizinischen Geräten in die Praxissoftware ohne jedes Mal einen finanziell schmerzenden, wiederkehrenden Aufwand für die goldenen Schnittstellen verkraften zu müssen und im Pingpong mit den Firmen darum verhandeln zu müssen … darf ich weiter wünschen? Wie gesagt, sehe ich Potential, indem auch vermehrt Formulare zu Unfallversicherungsanfragen oder von Taggeldversicherungen/Krankenkassen automatisiert ausgefüllt werden. In diesem Bereich ist der administrative Aufwand enorm gewachsen. Zu jeder Medikamentenabgabe wünscht die Krankenkasse mittlerweile eine Stellungnahme, um allfällige Limitationen ausloten zu können.

 

Wie beurteilen Sie den Nutzen des elektronischen Patientendossiers (EPD) und die Bedeutung von komplementären Services, welche ergänzend zum EPD eingesetzt werden?

Ich schaue dem EPD etwas skeptisch entgegen und fürchte eine drohende PDF-Wüste, wenn das Dossier nicht vom Patienten, soweit er kann, gepflegt wird. Wahrscheinlich braucht er allerdings gewisse Hilfe dazu in dem Fachausdruckdschungel, und nachdem wir bereits seitens Kassen etc. bestens mit administrativer Arbeit eingedeckt sind, wird unsere Zeit für solche Arbeiten nicht mehr. All dies geht an der Zeit im direkten Patientenkontakt verloren. Da heisst es abwägen. Hingegen sehe ich in den erwähnten Services noch viel Potential. Sobald diese automatisiert die Daten von den Primärsystemen abgreifen können, wird das eine brauchbare Flughöhe erreichen. Ansonsten bin ich schneller damit, ein Rp aus den Daten der digitalen KG zu generieren und per Mail an die Apotheke zu schicken. Desgleichen mit Zuweisungsberichten, welche ich mit Dragon im Diktiersystem schreiben lasse und ruckzuck verschicke. Da müssen wir alle im Gespräch bleiben, um den Ball in das richtige Tor zu schieben.